Von Torsten Roth
Von Wurst bis Bonbons: Fast 30 Firmen in Mecklenburg bieten ihre Produkte direkt im Werkverkauf an – preisgünstiger als im Handel. Wo Kunden schnell Geld sparen können.
Naschen, bis der Zahnarzt schimpft: Ohne irgendeine Leckerei geht wohl keiner aus dem Schlemmerparadies am Boizenburger Stadtrand. Mindestens zwei, meisten mehr Packungen, mancher packt auch schon mal kistenweise Bonbons, Fruchtgummis, Lollis oder Lakritz ein. „Da nimmt jeder was mit“, meint Daniela Struck und füllt die Verkaufsstände wieder auf: „Das geht schnell weg.“ Betrieb im Fabrikverkauf des Boizenburger Süßwarenherstellers Sweet Tec.
Hohe Inflation lässt Kunden in MV nach preiswerten Produkten suchen
Der Werksverkauf liegt bei Kunden im Trend: Spätestens seit die Inflation neue Höhen erreicht habe, werde immer stärker gezielt nach preiswerten Produkten gesehen, beobachtet Jasmin Friedrich, Chefin des Fabrikverkaufs beim Boizenburger Süßwarenproduzenten Sweet Tec: „Die Nachfrage wird immer größer.“ Einst hatte Sweet Tec nur den eigenen Mitarbeitern die Ware aus der eigenen Produktion preisgünstiger als im Handel angeboten. Mit stetig steigender Nachfrage öffnete die Bonbonfabrik schon vor mehr als zehn Jahren dann auch den Werksverkauf für alle – erst stunden-, später tageweise, inzwischen fünf Tage die Woche, jeweils sieben Stunden: „Der Zulauf wird immer größer.“
Ganze Autoladungen im Werksverkauf bei Sweet Tec geordert
Für den Preisrabatt ist den Kunden der Weg aufs Werksgelände nicht zu weit: „Manch einer kommt schon vor der Öffnungszeit“, beobachtet Verkäuferin Struck – und kann bei ihr dann ausnahmsweise auch schon vorher einkaufen. Aus Boizenburg und der Region, aber auch aus Kiel, Stade, Itzehoe selbst aus Rostock kämen die Kunden für die süßen Naschereien in die Elbestadt. „Einige haben lange Bestelllisten mit Wünschen der Familie oder der Nachbarschaft mit“, erzählt Friedrich. Die meisten kämen regelmäßig alle paar Wochen vorbei. Zu den bevorstehenden Ernte- und oder Schützenfesten orderten einige Kunden ganze Autoladungen. Kinder, Mütter, Großeltern, Einheimische, Urlauber, Durchreisende – an den bunten Naschereien kommt keiner vorbei.
Große Auswahl zu „unschlagbar guten Preisen“
Wie Friedrich Dortmund: Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Olga und den Kindern hat er gerade kistenweise Süßwaren aufs Einkaufsband gestellt – für sich, aber auch für Besteller aus dem Bekanntenkreis. Alle drei, vier Wochen kämen sie vorbei, erzählt er: „Immer, wenn wir in Boizenburg sind.“ Eine sehr große Auswahl zu „unschlagbar guten Preisen“: „Das muss man ausnutzen“, erzählt Dortmund. Da kann sich selbst er als Diabetiker nicht zurückhalten: „Die zuckerlosen Bonbons nehme ich schon mal mit.“
Kaubonbons sind der Renner
Die Auswahl ist groß: Mehr als 200 verschiedene Produkte stehen in der Welt der Bonbons, je nach Saison. In allen Varianten: süße oder saure Fruchtgummis, Bonbons, gefüllt, fruchtig, sahnig, dazu Lakritz, Fruchtlollis oder auch Karamellbonbons verschiedenster Art sowie vegane Fruchtgummis: „Was das Herz begehrt“, meint Friedrich – in Kleinst- und kleinen Abpackungen, großen oder Riesenboxen, die der Einzelhandel nicht im Sortiment führt, die 300-Gramm-Tüte für 79 Cent. Der Renner: Kaubonbons mit verschiedenen Geschmacksrichtungen, gern auch Boizenburger Gummibärchen, die nach unabhängigen Verbrauchertests eigenen Angaben zufolge den Vergleich mit Fruchtgummis des Marktführers nicht scheuen müssen und im Urteil der Kunden gleichwertig abgeschnitten hätten.
Boizenburger Bonbons für Amerika, Asien und Südafrika
Für Nachschub ist gesorgt: 95 Millionen Stück Bonbons, Fruchtgummis, Kaubonbons lassen die mehr als 470 Mitarbeiter des Werkes täglich von den Bändern der Bonbonfabrik purzeln – sieben große Lkw-Ladungen jede Woche, für den Verkauf als Handelsmarken in ganz Europa oder unter der eigenen Marke Ragolds in Nordamerika, Südostasien oder Südafrika. Das Geschäft läuft. Immer wieder habe Sweet Tec die Produktion erweitern müssen, erzählt die Firmensprecherin.
Dutzende Firmen in MV öffnen die Werktore
Verkauf vom Band – frischer geht es nicht: Sweet Tec ist eines der Unternehmen in MV, die ihren Kunden direkt ab Produktionsband im Werksverkauf ihre Waren verkaufen – zu teilweise deutlich niedrigeren Preisen, mit Rabatten von 20, 30 oder mehr Prozent. Fleisch, Wurst, Süßwaren, Kartoffelerzeugnisse, Käse- und Fischspezialitäten, Holzwaren oder auch Matratzen: Fast 30 Unternehmen öffnen ihre Fabriktore und holen die Kunden aufs Firmengelände – Werksverkauf ohne Zwischen- und Großhändler, aufwendige Transporte, direkt vom Band. Vor allem in Westmecklenburg mehren sich die Werksverkäufe. Und mit dem in Planung befindlichen, aber nach wie vor sehr umstrittenen neuen Outlet-Center in Wittenburg dürfte sich das Angebot noch erweitern.
Leichte Produktfehler, aber trotzdem gut
Die Fabrikangebote hätten zwar nach wie vor einen sehr geringen Anteil an den Geschäften des Handels. „Den Kunden spart es aber Geld“, meint Tino Beig vom Handelsverband Nord – und den Herstellern sichert es Absatz. Da komme auch Ware zweiter Wahl in den Verkauf, keine schlechten Produkte, aber manchmal mit leichten Fehlern, beispielsweise an der Verpackung, erklärt Friedrich: Ware, die der Handel nicht abnehme und sonst teuer entsorgt werden – und nicht zum Nachhaltigkeitstrend passe.